
Frauenpionierinnen: Woman can, if she will
Sie nannten sich Gussie und Addie und waren 24, beziehungsweise 22 Jahre alt. Sie fuhren nagelneue Indian Powerplus mit 1000 Kubik Hubraum. Sie wollten einmal quer durch die USA, um zu beweisen, dass Frauen genauso wie Männer als Motorradkuriere im Militär dienen konnten. Und ihnen damit das Wahlrecht zustand. Das war vor hundert Jahren, eine Jubiläumstour erinnerte daran.
Der legendäre Ride fand im Jahr 1916 statt. Also genau vor 100 Jahren. In Europa tobte der Erste Weltkrieg. Noch war die USA nicht bereit einzugreifen, doch die Geschwister Augusta und Adeline van Buren wollten vorbereitet sein. Deshalb sollten Frauen bei der Army auch Aufgaben wie Kurierfahren übernehmen können, um Männer von diesen Diensten zu entlasten. Dabei scheint es den beiden Society Girls auch darum gegangen zu sein, ein Argument aus der Welt zu schaffen, warum den Frauen immer noch das Wahlrecht verwehrt war: Frauen waren keine Teilnehmerinnen am Kriegsgeschehen.
Deshalb trugen die Schwestern Militärklamotten auf ihrem Trip von Ost nach West. 5500 Meilen, zirka 9000 Kilometer, ist die Strecke lang und die Mädels brauchten damals dafür 60 Tage.
Beim der Jubiläumstour Van Buren Sister’s Centennial Motorcycle Ride (www.sistersmotorcycleride.com), die vom 3. bis 23. Juli stattfand, rechneten die Organisatoren mit drei Wochen für den Trip. Dabei folgten sie der historischen Route Lincoln-Highway so nah wie möglich. Sie kombinierten landschaftlich schöne Routen mit Events in einzelnen Ortschaften, aber auch historische wichtige Stops auf der Strecke der beiden Geschwister fuhren sie an. Alles schön asphaltiert, versteht sich.
Rettung durch einen Goldsucher
Gussie und Addies Weg dagegen führte sie über Pisten, durch Wüsten und natürlich über die Rocky Mountains. Sie waren die ersten Frauen, die den Pikes Peak auf einem motorisierten Gefährt erklommen, einen über 4000 Meter hohen Berg in Colorado. Das erwähnt Wikipedia als besondere Leistung, allerdings steht auf einer anderen Seite, dass seit demselben Jahr, 1916, Pikes Peak International Hill Climb (PPIHC), auch „Race To The Clouds“ veranstaltet wurde. Es handelte sich bei dem Weg auf den Gipfel also weniger um eine unwegsame Piste als um eine als Touristenattraktion erbaute Straße.
Trotzdem trafen die beiden Motorradfahrerinnen auf genug abenteuerliche Situatinen. Einmal gingen sie verloren in der Großen Salzwüste 100 Meilen westlich von Salt Lake City. Quasi in letzter Minute, so steht es in den Berichten, wurden sie von einem Goldsucher vor dem Verdursten gerettet. Er gab ihnen Wasser und zeigte ihnen den Weg.
Doch weniger Pisten, Wüsten und andere Unwegsamkeiten stellten sich bei dem Trip als das große Problem für die Indian-Fahrerinnen heraus. Ihr größtes Problem waren Konservatismus und Macht in den falschen Händen. Es war für viele Männer ein Skandal, dass zwei Frauen in Männerklamotten auf Motorrädern saßen. So stellten sich Gussie und Addies oft örtliche Polizisten entgegen. Sie stoppten die Schwestern und steckten sie kurzerhand ins Kitchen. Wer immer wieder die van Buren-Sisters aus dem Knast holte, ist nicht überliefert. Trotzdem kamen Gussie und Addie jedesmal frei und konnten ihre Tour fortsetzen.
Sisters' Centennial Motorcycle Ride
Sie erreichten die Pazifikküste, machten noch einen kleinen Abstecher nach Tijuana und beendeten dann ihren Trip. Obwohl die Tour erfolgreich war, obwohl die van Buren Sisters die ersten Frauen waren, die auf Solomotorrädern die USA durchquerten, blieb ihnen die Anerkennung verwehrt. In den damals gängigen Zeitschriften erschienen Lobeshymnen auf die Indian Powerplus und deren Zuverlässigkeit als Langstreckenbike, den Einsatz der Geschwister geißelten die Berichterstatter als Urlaubsfahrt oder gar als Flucht vor den ihnen zugedachten traditionellen Frauenrollen, "display their feminine counters in nifty khaki and leather uniforms".
Die USA traten bekanntlich 1917 in den Ersten Weltkrieg ein – ohne die van Buren-Sisters als Motorradkuriere. Diese dagegen blieben ihren Rollen als Pionierinnen treu. Beide heirateten zwar, aber Adeline setzte ihre Karriere als Englischlehrerin fort und beendete sogar ein Jurastudium an der Universität von New York. Augusta wurde Pilotin und flog in Amelia Earharts ©internationaler Women's flying Organisation 99s mit. Sie engagierte sich weiterhin im Kampf für mehr Frauenrechte. 2002 wurden beide Schwestern in die AMA Motorcycle Hall of Fame aufgenommen.
Am Jubiläumstrip nahmen 65 Motorradfahrerinnen und Fahrer von Küste zu Küste teil, zirka 250 fanden ihre Wege zu den verschiedenen Events in Springfield oder am Pikes Peak. Dazu gehörte auch Adelines Großenkelin, Sofié Ruderman, und Sarah Van Buren, Großgroßnichte von Adeline und Augusta. Die Bikerinnen waren zwischen 18 und 71 Jahre alt. Am 24. Juli endete der Sisters' Centennial Motorcycle Ride in San Francisco mit einer großen Party.
Fotos: ©2003 Van Buren LLC All Rights Reserved



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Kommentare
Was für eine inspirierende
Was für eine inspirierende Geschichte über zwei großartige Frauen! Es gibt so viele, die auf zwei Rädern ihrer Zeit voraus gefahren sind, und an deren Namen sich heute wenige erinnern. Umso wichtiger sind solche Beiträge. Danke.