
Motorradhochzeit: Ohne mein Bike sag ich nicht Ja
Wer das geliebte Motorrad auch am Tag der Trauung nicht allein in der Garage lassen will, sollte es mitnehmen. Eine Motorradhochzeit zu organisieren ist kaum schwieriger als eine traditionelle Trauung, denn unabhängig vom Motto stellen sich ähnliche Fragen: Will ich die Hochzeit allein oder mit vielen, edel oder dezent, in der Heimat oder Ferne?
Von Karin Schickinger
Die Idee kam dem Standesbeamten Andreas Voit 2002. Warum nicht spezielle Hochzeiten für Motorrad fahrende Brautpaare anbieten? Die Nische war noch unbesetzt und lag für den passionierten Motorradfahrer und Besitzern von zehn Bikes auf der Hand. Warum nicht den Spaß vom Motorradfahren, die damit verbundene Lebensfreude auch aufs Heiraten übertragen?
An die 60 Motorradpaare hat der Standesbeamte Andreas Voit seither getraut. Zuerst in Warmensteinach, später in Bad Berneck, zwei Gemeinden im Fichtelgebirge. Obwohl er damals bewusst ein Alleinstellungsmerkmal für sein Standesamt gesucht hat, etwas das sonst nirgends in Deutschland angeboten wird, macht er kaum Werbung. Es spricht sich herum. Immerhin war er mit seiner Special-Interest-Hochzeit schon im Fernsehen, bei RTL2 genauer gesagt. „Sie wiederholen die Sendung immer noch“, erzählt er stolz.
Mit vielen
Egal wer wie heiraten will, allen stellt sich vorher die Frage: Will ich in aller Stille mit dem Geliebten das Ja-Wort austauschen oder ein großes Fest mit vielen Freunden? Das ist nicht nur eine finanzielle Frage, sondern beeinflusst auch die Wahl des Standesamts. Viele städtische Standesämter sind zentral oder gar in Fußgängerzonen gelegen. Motorradspalier oder Korso sind oft nicht möglich. Deshalb kann es sinnvoll sein, aufs Land auszuweichen. Wer mit seinem ganzen Motorradclub feiern will, sollte vorher schauen, wie viel Bikes der ausgewählte Ort verträgt. Vielleicht ist auch eine Sondergenehmigung erforderlich.
„Wir bieten zwei Varianten an. Entweder führen wir die Trauung im speziell dekorierten Standesamtszimmer im Rathaus durch. Oder wir gehen in den Kurpark. In der Wandelhalle ist es mit Sondergenehmigung ebenfalls möglich, das Brautpaar zu trauen.“ Auch dahin können Motorräder fahren und nebenan parken. Zur größten Hochzeit, an die sich Andreas Voit erinnert, kamen 80 bis 90 Motorräder.
… und ganz vielen
Eine hohe Anzahl an Bikes schreckt den Standesbeamten nicht, denn sein Angebot heißt: eine Motorradhochzeit ohne Zwänge, ganz locker, auch gegen die Ausgrenzung von anderswo, dass vielleicht in anderen Ortschaften viele laute Motorradmotoren vor einem Standesamt nicht gern gesehen sein mögen.
Und was ist mit Burnouts? Burnouts sind selten, meint Andreas Voit, das machen die mitgereisten Freunden eher privat, wenn sie zwei in einander verschlungene Ringe vors Wohnhaus zaubern. Wer sich YouTube-Videos zu Motorradhochzeiten anschaut, will geneigt sein, ihm da zu widersprechen. Aber: Bei ihm vor dem Rathaus gab es das bis jetzt erst einmal. Wäre grundsätzlich möglich, aber: „Bad Berneck ist ein Luftkurort und der verbrannte Gummi stinkt ja schon“, fügte er lachend hinzu.
Zu zweit
Da es heute keine Trauzeugen mehr braucht, ist auch eine Zeremonie zu zweit allein möglich. Das geht im Standesamt daheim, aber auch an jedem beliebigen Ort auf der Welt. „Wichtig ist, die Eheschließung zuerst am Standesamt des Wohnsitzes anzumelden und sich dort zu erkundigen, welche Unterlagen und Dokumente benötigt werden“, erklärt Andreas Voit. In Deutschland ist das relativ einfach. Je nachdem in welchem Ausland die Hochzeit stattfinden soll, kann sich die Beschaffung der Dokumente kompliziert erweisen, müssen diese eventuell übersetzt und beglaubigt werden. Dazu kann die Anerkennung der Heiratsdokumente im Nachhinein problematisch werden. Diese Probleme gibt es in Bad Berneck kaum – zumindest für Menschen aus dem deutschsprachigen Raum nicht.
Brautkleid oder Motorradanzug
Schaut man sich in den Motorradforen um, scheint die Wahl der richtigen Kleidung für die Hochzeit das große Thema zu sein. Jedenfalls suchen dort viele angehende Bräute ein gleichzeitig motorradtaugliches und doch schönes Brautkleid. Diese Beobachtung kann Andreas Voit aus seinem Erfahrungsschatz heraus nicht bestätigen. „Bei uns ist ein normales Motorradoutfit klar in der Überzahl“, erzählt er. Immerhin sind mehr als 80 Prozent der Bräute, die er getraut hat, hinterher mit dem eigenen Motorrad davon gefahren.
Bei den restlichen 20 Prozent sitzt die Braut meist auf dem Sozius. Da kann sie im klassischen weißen Brautkleid gekommen sein. Oder die frisch Vermählten düsten auf einem Gespann in ihren neuen Lebensabschnitt. „Das ist bis jetzt erst zweimal passiert“, sagt Voit. „Manchmal kommen die Paare auch in der Kutte ihres Motorradclubs. Das extravaganteste war eine Braut in dünnem Kleidchen mit langem Nerz darüber. Sie saß selbstverständlich hintendrauf.“
Richtig feiern
Bikercafé, Scheune oder Werkstatt, die Räumlichkeiten des Motorradclubs oder andere rustikale Locations stehen ganz oben auf der Liste der Hochzeitsplaner, wenn sie das Motto Motorradhochzeit hören. Wahlweise auch Wiese mit dickem Grill. Wer keine Möglichkeit und Lust zur Bikerfeier hat, kann sich auch einen Gasthof suchen. Davon gibt es einige, die sich auf die Wünsche ihrer motorisierten Gäste einstellen wollen und können. Ob dann unbedingt ein ausgebauter Motor auf dem Speisetisch stehen muss, die Teelichter in Muttern vor sich hinglimmen oder die Rauchenden in ausrangierte Zylinder aschen sollen, sei einmal dahingestellt. Für Traditionalisten mit Hang zu dicken Kalorienbomben basteln Konditoren sicherlich gern eine Tortendeko im Design des Lieblingsmotorrads oder mit dem Bikerpaar als Marzipan-Zierfiguren. Bei Amazon lassen sich die Aufsätze auch in Kunststoff erstehen.
In Bad Berneck sind sie auf jeden Fall gerüstet für Gesellschaften mit vielen Motorrädern. Auf der Website von www.motorradstandesamt.de stehen die Gasthäuser, die für Motorräder abschließbare Unterstellmöglichkeiten bereit halten und für nasse Tourenkleidung Trockenräume.
Verpartnerungen
„Natürlich können bei uns auch gleichgeschlechtliche Paare Lebenspartnerschaften eingehen“, sagt Andreas Voit zum Schluss unseres Gesprächs. „Eine Lebenspartnerschaft habe ich schon geschlossen, aber noch keine zwischen Motorrad fahrenden Menschen.“ Von ihm aus können sie gern nach Bad Berneck kommen. Wie alle anderen Heiratswilligen auch.
Eine E-Mail als Anmeldung genügt.



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