
Motorcoach: Die Stimme im Ohr für die richtige Kurvenlinie
"Weiter rechts, jetzt einlenken" tönt die Stimme des Trainers direkt in mein Ohr. Doch ich fahre weiterhin viel zu weit links, weiß nicht wohin ich schauen soll und fluche leise vor mich hin. Der Turn auf dem Rheinring ist beendet. Wir fahren zurück ins Fahrerlager und ich bin etwas frustriert. Trainer Hans-Peter entgeht das nicht. Als Instruktor mit mehr als 20.000 Rennkilometern Erfahrung weiß er, dass es viel Übung braucht, um die Ideallinie zu finden.
Ich nehme den Helm zur Nachbesprechung ab. Es ist ein schöner warmer Sommertag. Der Asphalt ist trocken und es ist kein Wölkchen am Himmel zu sehen. Dies sind optimale Bedingungen für ein Training auf der Rennstrecke. Bevor es losging, habe ich einen Teilnehmerfragebogen ausgefüllt. Sicherheit in Schräglage, saubere Linie, stressfrei in hohen Geschwindigkeiten sowie mein Motorrad besser kennenlernen, stehen als Ziele auf meinem Papier. Ich gönne mir den Luxus eines eigenen Trainers – mein persönlicher Motorcoach. Dieses spezielle Training wird vom Veranstalter Motorspeed angeboten. Jeder soll sein Fahrkönnen mit Hilfe des Motorcoaches verbessern, egal ob man Einsteiger, Fortgeschritten oder Experte ist.
Ich zähle mich zu den Fortgeschrittenen, fahre seit über 20 Jahren Motorrad und habe schon zig Sicherheitstrainings absolviert. Aber irgendwie will der Knoten in Bezug auf Geschwindigkeit und Blickführung nicht platzen. Das erzähle ich auch Hans-Peter. Theoretisch weiß ich, was zu tun ist, aber mein Körper verkrampft sich. Ich habe beschlossen, dass das ein Ende haben muss und begebe mich deshalb vertrauensvoll zum Motorcoach. Hans-Peter ist seit 10 Jahren Instruktor. Früher fuhr er selbst aktiv Rennen, aber: „Man wird nicht jünger und Rennen fahren ist ein teures Hobby", gesteht er. Heute genießt es der 58jährige Schwabe, sein Wissen an Rookies und Racer weiter zu geben. Ich bin also in guten Händen.
Den Coach im Nacken
Die Besonderheit beim Motorcoach ist die eins-zu-eins Kommunikation zwischen Trainer und Trainee. Unsere Helme wurden am Vorabend mit einem Kommunikationssystem miteinander verbunden. So kann der Trainer mit mir sprechen und ich kann sofort Rückmeldung geben.
In der ersten Runde fahre ich hinter Hans-Peter her. Mein rotes Leibchen, das mich als Coachee kennzeichnet, flattert im Fahrtwind. Der Instruktor zieht die Geschwindigkeit an, ich bleibe dran. Das klappt ja hervorragend denke ich mir. Doch im zweiten Turn fahre ich voraus und bin wie ausgewechselt. Plötzlich weiß ich nicht mehr, wohin ich schauen soll, bremse und finde keine Linie.
Eine Gruppe Freifahrer überholt uns. Ich sehe einen Zopf aus einem Helm flattern. Die Amazone überholt ihre Mitstreiter, bremst, lenkt ein und zieht den Hahn auf. Ich bin beeindruckt. In der Pause kommen Manuela und ich ins Gespräch. Die 46jährige genießt das Feeling grenzenloser Freiheit auf der Rennstrecke: keine Fußgänger, keine Blitzer trüben den Geschwindigkeitsrausch. Den "Anneau du Rhin" bei Colmar kennst sie gut. Viermal hat sie ein instruktorengeführtes Training absolviert, bevor sie sich ans freie Fahren gewagt hat. Das Feedback des Trainers und die Hinweise zur Ideallinie hat sie verinnerlicht. Heute fährt die Vierfachmutter mit ihrer Suzuki GSR 750 sicher und schnell über die Rennstecke. Auch Trainer Hans-Peter ist begeistert. Er fahre gerne hinter Frauen, wie er mit einem schelmischen Grinsen zugibt. Nach seiner Erfahrung fahren Frauen weniger aggressiv, überholen nicht auf der letzten Rille und fahren sehr sauber und rund. Bis auch mir diese dieses Lob zuteilwird, muss ich allerdings noch etwas üben.
Ich sage, was ich denke
Damit der dritte Turn besser klappt, ändern wir unsere Strategie. Denn wie wir beim gegenseitigen Feedback herausfanden, fühle ich mich durch die vielen Anweisungen überfordert. Während ich an Bremsen denke, höre ich: rechts fahren, während ich überlege, wohin ich schauen soll höre ich: einlenken. Also stellen wir kurzerhand um. Ich sage jetzt immer zuerst, woran ich gerade denke, was ich machen werde und Hans-Peter hakt ein. Dieser Plan bringt uns wirklich weiter, denn jetzt hat der Coach die Chance, seinem Input im richtigen Moment einzubringen und versteht, warum ich manchmal nicht das mache, was er sagt. Wir arbeiten uns von Turn zu Turn, und siehe da, meine Linie wird deutlich besser.
Geschwindigkeit ist für mich heute zweitrangig. Obwohl ich schneller fahre als auf der Straße fehlt mir das Verlangen danach, mein Motorrad bis zum Anschlag auszureizen. Zudem ist so ein Trainingstag anstrengend. Selbst wenn ein Turn nur 20 Minuten dauert, ist in dieser Zeit höchste Konzentration gefragt. Das verlangt mir einiges ab, ich bin angespannt aber nicht mehr verkrampft.
Eine weitere Frau fällt mir auf. Sylvia, mit ihrer pinkfarbenen Suzuki SV 650 S. „Meine Freunde sagten ich wäre völlig talentfrei beim Motorradfahren", beschreibt sie den Anfang ihrer Bikerinnenlaufbahn. Schließlich habe einer ihrer Kumpels festgestellt, dass das Federbein an ihrem Zweirad völlig falsch eingestellt war, was sich natürlich deutlich auf das Fahrverhalten des Motorrades ausgewirkt hat. Dies, neue Reifen und ein neuer Lenker bewirkten Wunder. Auch Sylvia hat mehrere Trainings absolviert. Seit 2012 geht sie einmal pro Jahr auf die Rennstrecke.
Der Weg ist das Ziel
Der letzte Turn für diesen Tag steht an. Wir sind die einzelnen Kurven noch einmal durchgegangen und ich konzentriere mich auf die Stimme meines Instruktors. Jetzt will ich nichts riskieren, sondern einen sauberen Abschluss hinkriegen. Die 3,7 Kilometer lange Strecke habe ich mir so gut wie möglich eingeprägt. Alles, was ich über Körperhaltung, Gewichtsverlagerung und Lenkimpuls gelernt habe, ist präsent. Ich traue mich, ganz knapp über die rot-weiß markierten Curbs zu fahren, gebe Gas und bin auf der richtigen Linie. Dafür ernte ich ein "sehr gut" aus dem Lautsprecher im Helm. Jemand versucht, uns zu überholen. Er schafft es erst auf der langen Geraden. „Hast Du das gesehen?", tönt es in mein Ohr. „Der kam nicht vorbei, weil Du auf der Ideallinie warst." Mein Herz hüpft vor Freude.
In der letzten Runde zischt Manuela nochmals mit einem Affenzahn an mir vorbei und prescht vorbildlich durch die nächste Kurve. Auch Sylivia ist total glücklich, denn sie hat daran gearbeitet,mit dem Knie auf den Boden zu kommen. Und ich bin am Ende des Tages sehr zufrieden mit mir. Ich habe meine Blickführung verbessert und kann dadurch eine bessere Linie fahren. Diese Fähigkeit kommt mir vor allem auf der Straße zu gute, denn dafür trainiere ich ja letztendlich und ich werde sicher auch wieder kommen.
Unser Tipp:
- Überlege Dir, was Du im Training erreichen möchtest. Teile Deinem Trainer mit, wie es Dir geht und wo Du Probleme hast. Dann kann er sich optimal auf Dich einstellen.
- Bei weiterer Anreise solltest Du zwei Übernachtungen einplanen, da der Trainingstag lang ist. Übernachten kann man in Colmar oder in Breisach.
- Veranstalter und Buchung: www.motorspeed.de
Text: Frauke Tietz
Bilder: PIXELrace, Frauke Tietz



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