
Motorradtour Andalusien: Costas & Sierras
Almería ist die östlichste Provinz Andalusiens und bietet in den Bergen und Wüsten, abseits der Küstenabschnitte, Kurvenvergnügen satt. Sie ist zudem eine der wenigen europäischen Regionen, die sich im Winter viel besser als im Sommer genießen lässt.
von Snežana Šimičić
Stärker hätte der Kontrast kaum sein können: In der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar hatten wir bei eisiger Kälte und Schnee im heimischen Wuppertal noch das neue Jahr begrüßt. Schon am darauf folgenden Tag fanden wir uns, zugegebenermaßen leicht übernächtigt, nach nicht einmal drei Stunden Flugzeit unter der wärmenden Sonne Andalusiens wieder. Touren und Produkttests in Almería, der östlichsten Provinz Andalusiens, standen auf dem Programm. Ob dieses Vorhaben mitten im Winter gelingen kann? So viel sei schon einmal verraten: Schöner kann der Einstieg in ein neues Jahr kaum sein!
Nach kurzem Flug mit Umstieg „auf Malle“ und dem Flughafentransfer richteten wir uns zunächst in unserer Bleibe für die kommenden Tage in Mojácar häuslich ein und inspizierten dann die Umgebung des Küstenstädtchens an der Costa de Almería. Dabei staunten wir nicht schlecht über die überall noch vorhandene Weihnachtsdekoration. Bei Tagestemperaturen von rund 20 Grad und Sonne satt mussten wir uns ordentlich anstrengen, um in besinnliche Stimmung zu kommen. Nur mit T-Shirt und leichter Jeans bekleidet, schienen Krippen, Christbaumkugeln und Co. so passend wie der sprichwörtliche Schnee in der Wüste.
Winterliche Entzugserscheinungen
Um Besinnlichkeit ging es uns hier im fernen Spanien aber auch weniger. Die vergangenen Tage und Wochen waren anstrengend genug gewesen, aber noch viel wichtiger: Wir hatten mächtig Entzugserscheinungen. Nach dem scheinbar endlos langen nasskalten, deutschen Winter wollten wir endlich wieder aufs Motorrad steigen, wenn auch nicht aufs eigene. Für nur ein paar Tage Aufenthalt lohnt sich der Transport, geschweige denn die eigene Anreise auf zwei Rädern schlicht und einfach nicht. Zudem gibt es ja Alternativen.
So hatten wir uns schon im Vorfeld bei Bike Promotion, die schon seit Jahren für BMW Motorrad das Test Camp Almería auf die Räder stellen, unsere Wunsch-Maschine reserviert. Zumindest fast, denn hier stehen ja nur blauweiße Zweiräder zur Verfügung. Die R 1200 GS Adventure schien aber eine gute Wahl, um die Straßen Andalusiens näher unter die Lupe zu nehmen. Die Organisation war schon einmal perfekt: Das Schätzchen wartete in der Hotelgarage auf unsere Begutachtung und nach einer kurzen Einweisung durch den Vermieter waren wir allmählich im Fahr-Modus angekommen. Am nächsten Morgen sollte es dann endlich losgehen.
Wir ließen es gemütlich angehen und gönnten uns ein Quäntchen mehr Schlaf als gewöhnlich: Vor zehn Uhr morgens wollten wir noch nicht los, denn in den frühen Morgenstunden ist es auch hier noch empfindlich kühl – und vom Frieren hatten wir erst einmal die Nase voll. So war mein Chauffeur auf den ersten Kilometern auch nicht böse darüber, dass die Leih-BMW mit funktionierenden Heizgriffen ausgestattet war.
Auf der ersten Erkundungstour inspizierten wir zunächst einmal die Küstenstraße gen Norden, die uns von der Costa de Almería nahezu übergangslos zur Costa Cálida führte. Hätte uns das Castillo de San Juan in der Hafenstadt Águilas nicht schon von weitem willkommen geheißen, wäre uns dies vermutlich gar nicht aufgefallen. So aber beschlossen wir kurzerhand einen Blick auf die 85 Meter hoch über die Altstadt thronende Festung zu werfen, die im 18. Jahrhundert zum Schutz vor Piratenüberfällen gebaut wurde – und einen kleinen Kaffeestopp einzulegen.
Bei einem kleinen Plausch mit dem Kellner wurden wir zudem darauf hingewiesen, dass wir nunmehr die Provinz Almería verlassen hatten und uns bereits in der Nachbarregion Murcia befanden. Ersichtlich wurde dies während der Fahrt nicht, denn wir hatten verschiedene kleine Städtchen passiert, von deren Architektur man nicht darauf schließen konnte, irgendeine innerspanische „Grenze“ zu passieren. Ganz so weit gefahren waren wir noch nicht, dennoch verließen wir kurzzeitig Andalusien, das flächenmäßig immerhin in etwa so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen ist.
Da wir bereits hier waren, wagten wir uns noch ein wenig weiter in Richtung Norden vor, ließen das Mittelmeer dabei hinter uns. Dafür schwenkten wir ins Hinterland ein und drehten eine Runde durch die Sierra de la Carrasquilla. Trocken und karg präsentierte sich die Landschaft hier. Der Zustand der vielen kleinen Straßen erwies sich aber als erstaunlich gut wenn man bedenkt, dass sich nicht allzu viele Touristen in diese Ecke des Landes verirren dürften.
Wir schraubten uns immer wieder die Straßen hinauf und hinunter, bis wir irgendwann den kleinen Ort Pulpi erreichten – und damit wieder in die Provinz Almería zurückkehrten. Noch drängte die Zeit nicht und so ließen wir uns über weitere dieser kleinen Straßen, immer noch im Hinterland und damit in der Bergwelt Andalusiens, treiben. Augenfällig in der Landschaft: Von hier stammt also das ganze Gemüse, das in unseren heimischen Supermärkten zum Kauf angeboten wird? Wir passierten ein Gewächshaus nach dem anderen und erspähten unter den Folien vor allem Tomaten und Salate.
Europas Obst- und Gemüseproduzent
Später sollte man uns darüber aufklären, dass Andalusien mit rund 4,5 Millionen Tonnen Ernte pro Jahr als einer der größten Obst- und Gemüseproduzenten Europas gilt – und der Großteil der Erzeugnisse nach Deutschland exportiert wird. Allein rund zwei Milliarden Eisbergsalate werden hier jährlich produziert und neun von zehn spanischen Salatgurken wachsen in Andalusien. Fahrspaß kombiniert mit Kurvenvergnügen stand dann zwischen Lubrin und Los Gollardos im Vordergrund, bevor wir schließlich etwas südlich von Mojácar wieder das Wasser erblickten und uns auf das erste Feierabendbier freuten.
Für den nächsten Morgen hatten wir uns die Erkundung des Naturparks Cabo de Gata Gata-Níjar vorgenommen. Dieser gut 34 000 Hektar große Landstrich beginnt nur wenige Kilometer südlich unseres Standortes bei Carboneras und zieht sich von der Küste bis hinauf in die Berge und bis vor die Tore der Stadt Almerí, ganz im Südwesten der Region gelegen.
Erneut ließen wir es am Morgen langsam angehen und rollten uns erst einmal auf der Küstenstraße, nun aber in südlicher Richtung, ein. Imposant präsentierten sich in Rodalquilar gleich zwei Burgen. Wir hatten allerdings nur wenig Muße für Besichtigungen, was sich im Nachhinein als falsche Entscheidung erweisen sollte. Neben diesen Bauwerken hätte sich ein Bummel durchaus gelohnt, denn Rodalquilar ging in Andalusien als „Stadt des Goldrausches“ in die Geschichte ein.
Der Grund sind die verschiedenen Minen rund um die Stadt, in denen im Laufe der Jahrhunderte nicht nur Mineralien, sondern vor allem auch verschiedene Metalle und im 19. bis ins 20. Jahrhundert eben auch Gold gefördert wurde. Da der frühe Wohlstand kaum Spuren im Ort hinterlassen hat, entschieden wir uns für die Weiterfahrt und kehrten stattdessen einige Kilometer weiter südlich im Örtchen Las Negras mit seinen schmucken, weißen Häuserfassaden in ein Strandcafé ein zu einem gemütlichen Vormittags-Cappuccino.
Kurz danach verließen wir in der Stadt Cabo de Gata erneut die Küstenstraße, allerdings nicht ohne ausgiebigen Fotostop. Erneut hatten wir eine Grenze passiert, denn bei dem satten Blau, das uns nun entgegen strahlte, handelte es sich um den mehr als ansehnlichen Golf von Almería.Bei strahlendem Sonnenschein folgten wir dann der Straße, die uns mitten hinein in die Gebirgswelt Naturparks bringen sollte. Auch hier waren hunderte von Gewächshäusern nicht zu ignorieren, daneben prägten aber blühende Mandelbaumfelder und Bäume mit reifen Mandarinen oder Zitronen die Landschaft. Alleine der Duft war schon die Reise wert.
Hoch in der Sierra de Los Filabres
Auf unserer BMW wirbelten wir uns in erstaunliche Höhen hinauf. Eben nochhatten wir am Strand gesessen und nicht einmal eine dreiviertel Stunde später fanden wir uns auf dem Calar Alto in der Sierra de Los Filabres auf stattlichen 2 160 Metern wieder. Die Fahrt hinauf wurde nicht nur mit perfekten Fernblicken belohnt, wir machten auch dem Observatorium des Deutsch-Spanischen Astronomischen Zentrums unsere Aufwartung. In diesen luftigen Höhen blieben wir von den Obst- und Gemüseplantagen verschont, dafür dominierten felsiges Karstgebirge, aber immer wieder auch erstaunlich dichte Pinien- und Kastanienwälder.
Maurisch geprägte Dörfer
Für uns ging es weiter in Richtung Norden zur Sierra de Alhamila und in das maurisch geprägte Dorf Nijar. Obwohl mitten im Nirgendwo gelegen, konnten wir auch von hier aus Panoramaausblicke auf das Meer genießen und uns für das kommende Kurvenfeuer rüsten. In Kehren, die immer wieder Lust auf mehr machten, verloren wir Meter für Meter gleichsam auch an Höhe. Der Spaß endete erst auf einem steilen Kalkfelsen in nun nur noch 405 Höhenmetern, der schon vor rund 1 300 Jahren besiedelt wurde. Das Städtchen Sorbas, in dem nicht einmal 3 000 Menschen leben, ist für sein Töpferhandwerk bekannt – und für seinen Untergrund, denn es ist von unzählige Höhlensysteme durchzogen.
Auf eine Erkundung der über 1 000 Höhlen in dieser Region verzichteten wir, dennoch war die Fahrt entlang der vielen kreisrunden Krater mit Einblicken in tiefe Schluchten ein ganz eigenes Erlebnis, bevor uns bald darauf die Küstenstraße wieder aufnahm und wir unserer Ankunft im Hotel entgegen sahen. Für diesen Abend hatten wir ein Dinner mit kleiner Weinprobe geordert – und sollten von den andalusischen Köstlichkeiten alles andere als enttäuscht werden.
Auf den letzten Tourtag hatten wir uns im Vorfeld ganz besonders gefreut, schließlich stand eines der fahrerischen Highlights in ganz Spanien auf dem Programm. Dazu verließen wir die Küstenstraße nahezu umgehend, um wieder in die Gebirgswelt einzutauchen. Besonders an diesem Tage fiel uns die Diskrepanz zwischen Kalender und zugehörigen Gewohnheiten auf. Es war der 5. Januar und wir mussten tatsächlich ein Sonnenschutzmittel verwenden.
Nach dieser Erfahrung steht für uns fest, dass wir Andalusien ganz sicher niemals im Sommer bei Temperaturen mit teils weit über 40 Grad besuchen werden. Der Süden Spaniens ist für Motorradfahrer wirklich vor allem in den bei uns kalten Monaten und damit als klassische Winterflucht geeignet.
Nachdem wir das Städtchen Macael passierten, das für Andalusien im Hinblick auf Marmor eine ähnliche Bedeutung hat wie Carrara für Italien, und auch Olula del Rio hinter uns gelassen haben, wuchs kurz nach Tijola unsere Spannung ins Unermessliche, denn nun ging es endlich hinein in die Kehren und Haarnadelkurven der Passstraße AL3102, die hier den äußerst motorrad-erotisch klingenden Beinamen Alto de Velefique trägt. Auf dem rund 25 Kilometer langen Abschnitt muss eine Höhendifferenz von fast 900 Metern überwunden werden, es kann einem also leicht schwindelig werden.
Bereit für diese Kurvenorgie
Die ersten Kilometer sind noch harmlos. Bevor es so richtig los geht, lohnt es unbedingt ums Eck schauend kurz innezuhalten und sich die Straßenbaukunst für einige Minuten von oben zu betrachten – erst dann ist man so richtig bereit für diese Kurvenorgie, die man durchaus mehr als nur einmal fahren kann.
Auf das Spektakel, das uns am späten Nachmittag dieses Tages dann noch erwarten würde, waren wir ganz und gar nicht gefasst, denn auf dem Weg zurück ins Hotel standen wir immer wieder im Stau, oder besser: vor gesperrten Straßen. Der Grund ist genauso einleuchtend wie abwegig. Wir waren ob der majestätischen Straße immer noch angefüllt mit Endorphinen, außerdem zeigte das Thermometer der Adventure gute 18 Grad Celsius an – wer rechnet denn da mit einem Festumzug zu Ehren der Heiligen Drei Könige?
Wir zumindest nicht, daher schauten wir auch mehr als verdutzt aus der Wäsche, als wir das muntere Treiben der Einwohner eher unfreiwillig beobachten durften. Wir wurden Zeugen des Cabalgata de Reyes Magos (Umzug der Heiligen Drei Könige), der in vielen Teilen Spaniens am Nachmittag vor dem eigentlichen Dreikönigstag stattfindet.Dieser hat hier im Gegensatz zu Deutschland eine immense Bedeutung, denn die Weihnachtsgeschenke gibt es statt am 24. Dezember eben erst am 6. Januar. Und auch die Wunschzettel sind hier nicht an den Weihnachtsmann im roten Anzug, sondern an die Adeligen aus dem Morgenland gerichtet – getreu der Tradition, schließlich sorgten laut Bibel die Könige ja erst Tage nach Christi Geburt für Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Ein Geschenk hatten wir uns auch gemacht mit dieser Reise zu genau dieser Zeit. Eigentlich könnte das eine hübsche Tradition werden, die einen gleich zwei Mal Weihnachten feiern lässt. Wir werden das mal redaktionsintern für die Zukunft besprechen …
Fotos: Künstle; Unger
Hinweis: Tourentipp aus ALPENTOURER 6/2013
GPS-Daten und Karte zum Download
Die GPS-Daten gibt es hier:
http://www.alpentourer.eu/tourentipps/gps-1306/
zum Download als GPX-Datei gezipt zusammen mit der zugehörigen Tourenkarte als PDF zum Selbstausdrucken.



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