
Mit dem Motorrad durch Namibia
Wenn die Sicherung durchbrennt
Oh Mann, ich hatte doch tatsächlich den Flug versäumt! Doch ich hatte Glück, denn die Gruppe rund um das Team des Veranstalters Enduro-Namibia und Tina Meier, der erfolgreichen Rallyefahrerin und Dakar Finisherin, startete erst am nächsten Tag von Windhoek zur 14-tägigen Reise durch das südwestafrikanische Land.
Ich hob mit einem Tag Verspätung von Europa ab, um zehn Stunden später aus dem Flugzeug und in den afrikanischen Sommer zu stolpern. Axel, der Tourguide mit dem sympathischen Berliner Dialekt, sammelte mich und meine Riesentasche am Flughafen ein, drehte mich am Parkplatz gekonnt in die richtige Richtung, als ich, der Macht der Gewohnheit folgend, auf der rechten Seite des Wagens wartete, um Platz zu nehmen und ertrug mit viel Ausdauer meine neugierigen Fragen zu seiner Person, seiner Geschichte und die Motivation hier in Namibia eine Existenz aufzubauen. „Ich schätze, Du wirst meine Motivation sehr bald verstehen.“ versicherte Axel. Ich blickte bereits mit großen Augen und mit offenem Mund aus dem Auto. Dass wir uns hier im Windhoeker Becken auf etwa 1.800m bewegten, war beinahe unvorstellbar. In den Alpen sieht diese Höhenlage anders aus, fühlt sich anders an. Mein österreichisches Hirn bekam Afrika, Wärme, diese Höhe und den Linksverkehr schon gar nicht auf die Reihe.
„Sag, wie viel hast Du während des Flugs eigentlich geschlafen?“ Machte ich so einen verschlafenen Eindruck? So argen Blödsinn rede ich doch auch wieder nicht, die Augen sind offen und ich reagiere, wenn ich angesprochen werde…die fürsorgliche Frage zielte aber weniger auf meine Kommunikationsfähigkeit ab. Bettina, eine weitere Teilnehmerin der Tour, war leider über Nacht erkrankt und würde den heutigen ersten Tourtag als Mitfahrerin im „Lumpensammler“, dem von Klaus gesteuerten Begleitfahrzeug, bestreiten. Meine ursprünglich angedachte Aufgabe für diesen Tag, sich vom langen Flug durch einfaches „ins Land reinschauen“ zu erholen und Klaus über das Betrachtete gut auszuquetschen, also die bevorstehenden 200km Piste NICHT mit dem Mopped zurückzulegen, änderte sich somit mit der Antwort „ja, hab eh ein paar Stunden im Flieger geschlafen“. Als ich dann Tina wieder sah, sie begrüßte und ihr gleich ohne Pause von meinen vergangenen Erlebnissen erzählte, mein Mopped für die kommenden zwei Wochen zum Probesitzen zwischen die Beine klemmte, war ich so froh darüber, nicht im Auto mitzufahren. Ich war heiss aufs Fahren, heiss darauf, dieses Land zu erleben.
Endlich unterwegs, endlich auf Tour, nach ein paar Fahrminuten endlich auf Schotter – YES! Die Suzi unter mir war zwar mit dem großen Tank ungewohnt schwer für mich, bin ich doch die zarten 106kg meiner Husky gewohnt, doch die Burschen von Enduro-Namibia haben die Süße perfekt auf meine Zwergenmaße (1,64m) abgestimmt. Nach ein paar Kilometern, noch unweit von Windhoek, stoppten wir am 2050m hohen Kupferbergpass. Weder Pass noch Höhe waren wirklich als solches wahrnehmbar. Tina legte Steine auf, um uns mit Brems- und Gleichgewichtsübungen besser auf die Tour vorzubereiten. Zwischen den Übungen standen wir oftmals völlig beeindruckt, beinahe fassungslos, neben den Moppeds und staunten vor uns hin. „Bitte schau Dir diese Landschaft an!“ Dieses Gefühl, wie ich es etwas später als „mir die Sicherungen raushauen“ bezeichnete, wiederholte sich alleine am ersten Tourtag noch mehrmals und auch jetzt, wo ich meine Erlebnisse niederschreibe, ist dieser Eindruck nach wie vor so präsent. Noch immer bin ich beeindruckt von dieser Schönheit, dieser fremden, vorher noch nie gesehenen und erlebten Natur, so als würde ich just in diesem Moment die Schotterkehren rauf zum mit 22 Prozent Steigung steilsten Pass Namibias, dem Spreetshoogte Pass schwingen, um schließlich so von den Socken zu sein, dass ich die nächsten 10 Minuten darauf vergesse, den Helm für die Pause abzunehmen.
Aufgeregt rannte ich mit meiner Kamera in der Hand umher, in der Hoffnung, auch nur ansatzweise mit den Fotos das einzufangen, was ich da sah: endlos scheinendes Land, dunkle, rotbraune bis schwarze Felsen, die wie versteinerte Wellen den Blick zur am Horizont liegenden Namib Wüste einrahmten. Land, nur Land, nichts schien sich der Natur hier in den Weg zu stellen. Peng - das war dann mal wieder eine Sicherung… Als ich wieder zu mir kam, nahm ich erst wahr, dass die Crew des Veranstalters aus vier weiteren Personen und zwei zusätzlichen Geländewagen mit Anhänger bestand und diese bereits, ein Willkommensgetränk reichend, auf uns am Pass gewartet hatten. Kurz war ich mit der Situation überfordert, trinken, essen, reden, schauen, immer wieder lautlos sich selbst bestätigen „He, Du bist in Afrika! Ja, in Afrika!“ Ich reduzierte auf „nur schauen“.
Die ersten Eindrücke dieses Landes waren so intensiv, dass ich abends meiner Suzi quasi freie Fahrt bei der Auswahl der „tented Lodge“ für meine Zeltmitbewohnerin Anja und mich gewährte. Die Zufahrt zum Camp war durch den doch recht weichen Sand nochmal eine Herausforderung für Konzentration und Gleichgewicht und als ich nicht mehr um die Kurve kam, weil mittlerweile kraft- und willenlos, ließ ich die Suzi dort stehen, wo sie stecken blieb und erklärte den „Vorgarten“ zum Parkplatz. Erst mal raus aus den Protektoren und den Stiefeln, kurz über den schmutzigen Staubbart gekichert, der uns nun allen Tag für Tag wuchs und die Abendsonne zum Abhängen nutzen, dabei nicht vergessen, sich in Erinnerung zu rufen: „ Ah, herrlich warm! Es ist Ende November. Ich bin in Afrika.“ Dieses Ritual wiederholte sich dann allabendlich, bloß perfektionierten Anja und ich dieses noch mit einem „Staubbier“, am ersten Abend wussten wir noch nicht, wo die „Schatzkiste“ zu finden war. Und wir wussten auch noch nicht, dass uns ein perfekt zubereitetes 3-Gänge Menü am gedeckten Tisch erwarten wird.
Holger, Patrick, Tauno und Kores zauberten immer ein grandioses Essen auf den Tisch und uns somit ein breites Lächeln ins Gesicht. Kudu, Springbock, Eland, Squashy, ein namibischer Kürbis, Pasta in unterschiedlichen Variationen, Hühnchen vom offenen Feuer, es schmeckte einfach fabelhaft und die Kochkünste der Crew verzauberten Abend für Abend das aufgedrehte Schnattern in andächtig anmutende Stille, die hie und da von absolut wichtigen Botschaften unterbrochen wurde: „Reichst Du mir bitte noch einen Teller davon?“. Als die Sonne endgültig verschwunden war und an ihrer Stelle nun die Sterne um die Wette funkelten, setzte ich mich absichtlich etwas abseits des wieder aufflammenden fröhlichen Gelächters in die dunkle afrikanische Nacht, lauschte den fremden Geräuschen der Tiere, stellte mir gruselnd vor, welches vielleicht hinter einem Busch lauert und uns beobachtet und war einfach nur glücklich.



Unterwegs Aktuell
- 1 von 7
- ››
Kommentare
Afrika
Tolle Story, tolle Bilder :)