
Echt und Ehrlich IV: Festivals und Happenings
Ein Teil der Retro-Welle sind die Treffen, die Events, die Festivals oder Happenings. Dort wo die Szene sich versammelt, sich bestaunt und bequatscht, dort zieht es immer mehr motorradfahrende Menschen hin. Fembike stellt drei Reiseziele für alle diejenigen vor, die den Vintage-Trend einmal live erleben wollen.
von Karin Schickinger
Zum vierten Mal: Wheels & Waves
Am Anfang war die Garage. Hier trafen sich die Southsiders. Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich dabei nicht um Motorradfreaks aus den US-Südstaaten oder Südengland, sondern eine Gruppe von Freunden aus Toulouse, bei denen das C in MC für Culture steht (nicht für Club). Das M wiederum steht für Mode und Musik. Natürlich hauptsächlich für Motorrad. Customized selbstverständlich, was hier gleichzusetzen ist mit kunstvoll verschönert.
Da in den Garagenpartys der Southsiders auch schön gestylte Surfboards präsentiert wurden und ein Festival nur für die Customszene irgendwie langweilig ist, erfand man – immerhin befindet man sich in Südfrankreich – Wheels and Waves. Klingt verdammt kultig. Und nach drei Jahren war es auch: ein Kultfestival in Biarritz.
Surf Contests und Motorrad-Sprintrennen wechseln sich dabei ab, garniert von einer Art Ride-Ausstellung. Kein ernstzunehmender Motorradveredler lässt sich dieses Festival entgehen. Sehen und gesehen werden, gehört zum Kult. Die Besucher sind vergleichsweise jung und hip, nicht die Fastrentner, die ihr bikebasiertes Rebellentum aus dem letzten Jahrhundert herübergerettet haben und es nun in windwetterabriebresistente Astronautenanzüge packen. Bei Wheels & Waves zeigen Männer mit Bärten gern kurzhosig tätowierte Beine neben den Kühlrippen. Ja und es gibt Frauen in dieser Szene, motorradliebend und selbstfahrend. Die bei Königswelle nicht an Kuchen denken und bei Vergaser auf die richtige Stelle an ihrer Harley zeigen.
Wie bei allem kultigen ist der Kult vielleicht schon vorbei, wenn sich die Medien darauf stürzen. Wheels & Waves wächst beständig. Jedes Jahr muss das Festival an einen anderen Ort in Biarritz umziehen. War es im letzten Sommer noch am Leuchtturm, findet es heuer in der Cité de l'Océan et du Surf statt.
Ort: Biarritz (F)
Zeitpunkt: 11. bis 14. Juni 2015
Infos: www.wheels-and-waves.com
Zum zehnten Mal: Glemseck 101
In diesem Jahr hat das Glemseck-Event, sorry Happening, wie die Veranstalter sagen, zehnjähriges Jubiläum. An der legendären Solitude-Rennstrecke oberhalb von Stuttgart trifft sich am ersten Septemberwochende die Café-Racer-Szene zu allem, was ihr Spaß macht. Natürlich ist Retro hier Teil des Lebensgefühls der versammelten Motorradgemeinde. Der Bezug ergibt sich aus der Location. Mitte der 60er Jahre fanden hier die großen Rennen statt. So wünschen sich alle ein wenig zurück in der Zeit, back to the sixties. Männer tragen schon mal gern Nieten an den Jeans und Koteletten im Gesicht, die Frauen – zumindest die, die nicht auf dem Motorrad sitzen – auch mal Petticoats und Pumps. Immerhin haben im letzten Jahr vier Fahrerinnen an den Sprintrennen teilgenommen, in angemessener Kleidung selbstverständlich.
Motorrad-Designer, Entwickler und Konstrukteure aus ganz Europa besiedeln die lange Sehen-Und-Gesehen-Werden-Meile. Apropos Meile: Es gibt eine Händlermeile von Motorradherstellern und Zubehörhändlern, die Partymeile beschallen Bands zwischen Rock, Rock'n'Roll und Rockabilly und die 1/8 Meile, das ist das Herzstück der Veranstaltung. Bei Spintrennen auf der klassischen Start-Zielgeraden der Solitude versuchen sich über 30 Fahrerinnen und Fahrer am perfekten Start, um in Zweierduells auf einer zirka 200 Meter langen Strecke zu gewinnen. Ach, was – dabei sein ist alles , und die zigtausend Besucherinnen und Besucher danken's mit eifrigem Applaus.
Ort: Glemseck bei Leonberg (Nähe Stuttgart)
Termin: 4. bis 6. September 2015
Infos: www.glemseck101.com
Zum ersten Mal: Pure & Crafted
Im Prinzip Kontrastprogramm zu Wheels & Waves oder Glemseck: Nicht die Nutzer der Motorräder hatten eine schöne Idee, die zur Welle wurde. Die Welle ist da und ein Motorradhersteller macht ein Musikfestival daraus. Auch ist die Idee nicht ganz so neu, wie alle tun. Musik und Motorrad zu verbinden, das hat schon der Industrieverband Motorrad in den Nullerjahren versucht. Sinn der Aktion damals sollte sein, junge Menschen auf Bike zu bringen. Gelang überhaupt nicht, wie man heute anhand der Verkaufszahlen weiß. Doch damit hat BMW eigentlich keine Probleme. Warum also das Festival? Vielleicht aus Angst, dass irgendwann auch die Kundschaft der Bajuwaren zu alt für die Rs und Ks wird.
Ein Schelm, wer die Ankündigungstexte zum Pure & Crafted leicht anbiedernd findet. Aber so ist Werbung. Hier das Original: „Auf dem Festival selbst erwartet Dich Biker-Feeling pur. Die legendäre Welt der Custom Bikes ist allgegenwärtig. Die zahlreichen Aussteller und Customizer beeindrucken mit coolen Vintage Bikes, höchster Handwerkskunst und individuellen Designs (…) Die Rückbesinnung auf Qualität und Tradition. Freiraum für Individualität. Das Streben nach handwerklicher Perfektion. Der Schnelllebigkeit entkommen. Den unverkennbaren Sound der Boxermotoren in den Ohren. Pure, ehrliche und geradlinige Rockmusik. (…) Der pure Sound der Musik und der sonore Klang der Boxermotoren sind Garanten für zwei unvergessliche Tage.“
Ort: Ferropolis (liegt zwischen Leipzig und Berlin);
Termin: 28. und 29. August 2015
Infos: www.pureandcrafted.com
Fotos: Wheels & Waves, BMW, Babila



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