
Ifrd 2016 – das Geheimnis motorradfahrender Frauen
Ob Vicky Gray geahnt hat, wie großartig der internationale Frauen Motorradtag – international female ride day (ifrd) – wird, als sie ihn vor 10 Jahren zum ersten Mal auslobte? In Deutschland rühre ich seit vier Jahren die Werbetrommel für diesen einmaligen Tag, an dem jede Bikerin teilnehmen kann, nur mit sich und ihrem Zweirad oder mit Freundinnen, als Gruppe, Club, Stammtisch oder was auch immer. Sie zu mobilisieren, Teil der internationalen Community zu werden, ist mein Ziel. Natürlich möchte ich auch fahren, will selbst in die Gemeinschaft eintauchen, dazu gehören, mich inspirieren und tragen lassen.
Mit Mitte 40 weiß ich die Gesellschaft von Frauen sehr zu schätzen. Das war nicht immer so. Es gab Phasen, in denen ich mehr von Konkurrenz als von einem Gemeinschaftsgefühl getrieben wurde. Heute kann ich mit dem Begriff Zickenterror kaum noch etwas anfangen, außer wenn pubertierende Teenager ihren Willen durchsetzten wollen und ihre Mütter damit an den Rand des Wahnsinns treiben.
Der Altersdurchschnitt der Gruppe, die sich am 07. Mai zum ifrd im Schwarzwald trifft, ist sicher Mitte Vierzig, aber das ist nur eine Zahl. Beim Motorradfahren spielt das Alter keine Rolle. Es wird kaum über den Job oder die Kinder gesprochen. Dieser Tag ist etwas Besonders, eine Auszeit vom Alltag. Hier sind Gleichgesinnte unter sich. So drehen sich die Gespräche auch überwiegend um Erlebnisse, die mit Motorrädern zu tun haben.
In meinen Zwanzigern fand ich Frauen über 40 irgendwie nervig. Sie redeten über Themen, mit denen ich nichts anfangen konnte und unterhielten sich mit jedem, egal ob es die Frau beim Bäcker oder der Heizungsableser war. Überhaupt hatte ich das Gefühl, je älter Frauen werden, desto unselbstständiger werden sie. Können plötzlich nicht mehr richtig Autofahren, stehen immer unter Zeitdruck, weil sie ständig tausend Dinge gleichzeitig zu erledigen haben. Obwohl ich mit Anfang zwanzig schon auf zwei Rädern unterwegs war, hatte ich nie ein Bild einer Motorradfahrerin im Kopf, die auch Mutter ist, sondern die einsame Wölfin, die überlegen und wissend in den Sonnenuntergang fährt. Das war wohl auch das Bild, das ich von mir selbst hatte. So war ich in einem Weltbild gefangen, in dem ich meinen eigenen Platz allerdings nicht finden konnte.
Dass ich meinen Platz mittlerweile gefunden habe, spüre ich, wenn ich etwas erlebe, das mir eine Gänsehaut verursacht. Dann bin ich glücklich, präsent und dankbar. So einen Moment gab es auch am ifrd-Wochenende, als ich unsere Gruppe mit fast 30 Motorrädern von Erbersbronn zum Bikertreff "Zur großen Tanne" geführt habe. Als wir auf den Parkplatz fuhren, war das ein grandioser Anblick. Wanderer, Radfahrer und andere Passanten blieben stehen, fotografierten und haben sich vielleicht auch gewundert, was wir hier machen.
Die Tour selber war klasse. Bei optimalem Wetter ging es in drei Gruppen, über Oppenau mit Kaffee-Stopp, weiter, in südliche Richtung, über Bad Peterstal-Griesbach nach Schenkenzell zur Mittagspause im Hotel Waldblick. Auf der Rückfahrt stoppten die einen an der Nagold-Talsperre, andere fuhren weiter zur Schwarzenbach Talsperre. Nach wunderbaren 200 Kilometern kamen alle wieder gesund in der Unterkunft, dem Freizeitheim-Forbach, an. Und dann begann der für mich schönste Teil: Essen, Plaudern, Lachen, Feiern – bis in die Nacht.
Heute unterhalte ich mich übrigens auch mit der Frau an der Brötchentheke, weil es einfach freundlich ist, ein paar Worte zu wechseln. Ich tuckere mit dem Auto durch die Stadt, weil ich mich in Achtsamkeit übe und ja, ich habe tatsächlich immer mehr Dinge auf meiner Todo-Liste als ich erledigen kann. Ich fühle mich wohl mitten unter Frauen, die eins teilen: Das Gefühl jemand zu sein, anders als der Durchschnitt, glücklich, weil sie etwas gefunden haben, was ihnen Spaß macht, das sich lebendig und unabhängig anfühlt – Motorradfahren.
Jeder Tag, an dem ich mit dem Motorrad unterwegs bin, ist ein female ride day, denn an jedem Tag sind irgendwo auf der Welt andere Frauen unterwegs. Selbst wenn wir uns nicht kennen, sind wir verbunden, unabhängig von Alter, Einkommen, Lebenssituation, Nationalität. Gibt es einen besseren Grund zum Feiern?
Save the date: Der nächste ifrd ist am 06. Mai 2017
Motominya war dieses Jahr auch wieder dabei und berichtet über den ifrd in ihrm Blog: http://motominya.blogspot.de/2016/05/schwarzwaldkringel-reloaded-ifrd2016.html
Text: Frauke Tietz
Bilder: privat



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Kommentare
Was ein schöner Tag!
Ja, das war ein wirklich wunderbar schöner, aufregender, ruhiger, toller und überhaupt Tag! Danke, daß ich dabei sein konnte! Ich komme auf jeden Fall gerne wieder. Den 6. Mai notiere ich mir schon mal... Ich werde auf jeden Fall wiederkommen müssen, dann werde ich die Schwarzwälder an der Nagold - Talsperre gewissenhaft erproben!
Tolle Worte gefunden...
Hallo Frauke, so ähnlich waren meine Gedanken an diesem Wochenende auch und du hast einen wirklich tollen Text daraus gemacht. Ähnliche Gedanken - eben weil auch so viel persönliches hindurch kam in dem einen oder anderen Gespräch. Für manche ist das Motorradfahren wirklich noch mal ein Sprung hinein in ein oder ein Halt in einem neu begonnenen selbständigen Leben, wo man sich noch nicht ganz zurecht gefunden hat, eine Herausforderung, etwas ganz Neues beherrrschen zu lernen solange man die eigenen Gefühle noch nicht sortiert und beherrschen gelernt hat, und für andere ein geliebtes Hobby, das man am liebsten allein genießt, oder ein Ziel, auf das man hin arbeitet, wenn man noch mal "etwas Besonderes" im Leben durchziehen will, wenn es auch die Anderen für komplett bescheuert oder zu alt (!!!) halten :-) Macht alle weiter so, aus welchem Antrieb auch immer: Gemeinschaft, Abenteuerlust, Meditation, Filosofie oder einfach nur die draufgängerische Seite an sich entdecken ... habt Spaß dabei! Ich hatte mächtig Spaß. Lange nicht mehr so gelacht. Danke an alle fürs mit fahren! Bis hoffentlich bald wieder Liebe Grüße Annika