
Ich will nicht als Person Katharina Weber im Vordergrund stehen
Katharina Weber ist seit drei Jahren Chefredakteurin von CUSTOMBIKE, dem Fachmagazin für umgebaute Motorräder. Dabei sieht sie sich eher als Teamplayerin denn als Frontfrau. Fembike unterhielt sich mit ihr über Frauen in der Customszene, deren Rollen im Vorder- und Hintergrund. Und natürlich wie Katharina wurde, was sie ist.
Gibt es Frauen in der Customszene?
Es sind noch wenige, auch wenn es mehr werden. Aber bis jetzt ist Customizing zu 95 Prozent oder gar mehr ein Männerding. Dabei gibt es natürlich Ausnahmen wie Sandra Fröhlich (Gewinner des Award Bike Women of the Year 2015, d. Red.) oder Anita Köhler von Penz Custombikes. Dazu gibt es auch hier und da Azubi-Projekte, in denen auch Mädels Motorräder umbauen, zum Beispiel bei Louis in Hamburg. Und bei Thunderbike, dem Harley-Vertragshändler und größten deutschen Customizer, haben Chef Andreas und seine Tochter Kim mit einem gemeinsamen Umbau den deutschen Battle of the Kings gewonnen.
Damit kürt Harley-Davidson einmal jährlich die besten Umbauten eines seiner Modelle. Custombikes sind ja an sich nichts Neues. Warum gab und gibt es so wenig Frauen in der Szene?
Die Custombewegung, auch zu kommerziellen Zwecken, begann in Deutschland in den 70er-Jahren und kam oft aus den MCs, den richtigen Motorradclubs. Bei denen waren Frauen weitestgehend nicht zugelassen. Es gab außerdem auch wenig Frauen, die Motorradmechanikerin werden wollten. Bis heute ist da die Quote eher gering.
Seit den 70er Jahren hat sich aber in Sachen Gleichstellung der Frauen einiges geändert. Die Hochschulen beispielsweise tun heute viel, um Mädchen für die sogenannten MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu begeistern. Wie sieht das in der Motorradbranche aus?
Der Motorradmarkt hatte lange Jahre eine Nachwuchsproblematik, das betraf nicht nur die Serie, sondern auch den Custombereich. Der Industrieverband Motorrad kümmerte sich zwar um Nachwuchs, interessierte sich aber weniger für die Frauen. Wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, gibt es in Deutschland »nur« ungefähr eine Million Frauen, die einen Motorradführerschein haben.
Motorradfahren ist wieder cool
Aktuell ist der Industrieverband Motorrad ganz glücklich.
Erst in den letzten Jahren hat sich das Bild des Motorrades wieder gewandelt. Motorradfahren ist wieder cool und Custombikes sind ein riesen Ding. Daran haben auch Frauen ihren Anteil. Bei der angesagten Schmiede Ehinger Kraftrad zum Beispiel ist zwar Uwe Ehinger der Mann im Vordergrund, doch dahinter steht auch seine Partnerin Katrin Oeding. Sie ist Marketingfrau, sie hat eine eigene Agentur und vermarktet Ehinger Kraftrad – nur ein Beispiel, wo die Custombikes in der Gesellschaft angekommen sind.
Da musst du nur den derzeitigen Werbefilm der Unternehmenssoftware SAP anschauen. Tenor: Lass die Kunden ihr Motorrad individualisieren uns schon rennen sie den Händlern die Bude ein.
Neu ist, dass sich Frauen wieder stärker auch in Clubs organisieren wie zum Bespiel »The Curves« in Berlin. Sie haben die Petrolettes Party als meines Wissens erstes Treffen von Frauen für Frauen –vorrangig aus der Customszene – initiiert. Wobei man dazu sagen muss, dass es schon immer auch Frauenclubs gab, wie zum Besipiel in der reinen Motorrad-Clubsszene, als auch auf Streben von Importeuren, wie zum Beispiel die »Ladies of Harley« bei Harley-Davidson.
Du bist Chefredakteurin der Zeitschrift CUSTOMBIKE. Für euch ist der derzeitige Customhype sicherlich nicht schlecht.
Unser Magazin CUSTOMBIKE ist seit fast 25 Jahren auf dem Markt. Zunächst gegründet unter dem Namen »Bikers live!« waren wir am Anfang nur ein Ableger unseres Schwestermagazins Bikers News. Mit den Jahren hat unser Heft aber immer mehr an Profil gewonnen. Mit Authentizität und Beständigkeit erreichten wir immer mehr Leser, was darin gipfelte, dass wir 2013 von einem zweimonatlichen auf einen monatlichen Erscheinungsturnus wechselten. Wir führen bis heute sehr enge Beziehungen innerhalb der Customszene und zu unseren Lesern, sicherlich ein Punkt, warum wir als Special-Interest-Magazin in einem schwierigen Printmarkt so beständig erfolgreich sind. Momentan partizipieren wir außerdem von dem Boom. Und wir haben immerhin ungefähr sieben Prozent Leserinnen.
Das ist ja mehr, als es Frauen in der Customszene gibt. Vielleicht liegt das an der kompetenten Chefredakteurin? Du bist schon lange in der Szene?
Ich bin im September seit 20 Jahren beim Huber-Verlag. 1996 nach dem Abitur wollte ich Journalismus studieren, doch mein Notendurchschnitt war nicht gut genug. Also hätte ich zwei Semester warten müssen, das wollte ich mit einer soliden Ausbildung überbrücken. Ich bewarb mich beim Huber-Verlag. Das Vorstellungsgespräch führte unser bis heute aktive Verleger Günther »Fips« Brecht mit hochgelegten Füßen auf seinem riesigen Holzschreibtisch und fragte mich: „Hast du ein Problem mit Titten und Motorrädern?“ Als ich verneinte, hatte ich eine Ausbildungsstelle zur Verlagskauffrau.
Die Anekdote klingt nach Hollywood. Ging es auch so weiter?
Relativ schnell landete ich bei Bikers News, unserem Rocker Magazin – erst in der Ausbildung, später als Redakteurin. Da musst du dich natürlich auch mit Rockergruppen wie den Hells Angels herumschlagen.
Ich kümmere mich mehr um Hintergrundstorys
Hattest du keine Probleme mit den Hells Angels? Die sind doch massiv frauenfeindlich.
Das ist so nicht ganz richtig. Es gibt viele Frauen, die sich in der Szene pudelwohl fühlen. Eine Frauenfeindlichkeit kann ich da nicht bestätigen, im Gegenteil, Frauen werden in Clubs in Deutschland absolut respektiert. Außerdem hatte ich den Vorteil – das kennst du wahrscheinlich selbst – dass, wenn du Presse bist, du auch anständig behandelt wirst. Ich war zum Beispiel auch als Prozessbeobachterin im Gericht, da wurden schon ernsthafte Dinge verhandelt. Da bekommst du schon einen anderen Blick auf manche Sachen. Wobei man ganz deutlich sagen muss, dass Rocker bei weitem nicht automatisch kriminell sind. Trotzdem, nach sechs Jahren war ich soweit, dass ich mich mit Teilen dieser Szene nicht mehr identifizieren konnte.
Warum? Was hat sich in der Zeit verändert?
Rocker sind mit gewissen Idealen angetreten: Anti-Establishment, zusammen schrauben, zusammen fahren, zusammen feiern. Das war noch so, als ich bei der Bikers News angefangen habe. Doch dann hat sich die Szene mehr und mehr verändert. Da ging es nicht mehr vorrangig um Motorräder und Freundschaft, sondern oft nur noch um Clubpolitik. Da war es an der Zeit für mich, zu gehen.
Wann war das?
Das war 2005. Das damalige Magazin »Bikers live!« war gerade in CUSTOMBIKE umbenannt worden. Seit drei Jahren, also seit 2013, bin ich Chefredakteurin. Zuerst wusste ich von umgebauten Motorrädern wenig, das habe ich mir in den letzten elf Jahren alles erarbeitet. Ich bin zwar immer noch nicht die absolute Fachfrau für Motorradtechnik, doch natürlich kann ich inzwischen auch einen technischen Artikel sauber schreiben. Außerdem haben wir in der Redaktion einen technischen Redakteur, der für die genauen Zusammenhänge und Details zuständig ist. Ich kümmere mich dagegen mehr um die Hintergrundstorys über die Menschen und Motorräder, die diese Szene so liebenswert machen.
Wenn ich mir euer Heft anschaue, fällt auf, dass du zwar wie alle Chefredakteure der Branche das Editorial schreibst, aber kein Foto von dir auf der Seite abgebildet ist.
Ich unterschreibe auch im Namen des CUSTOMBIKE-Teams, da wäre ein Foto von mir fehl am Platz. Außerdem begreife ich meine Aufgabe mehr darin, im Hintergrund zu wirken, zu schauen, dass Heftmischung und -qualität stimmen, dass die Abläufe funktionieren. Da will ich nicht als Person Katharina Weber im Vordergrund stehen. Im Grunde wie viele Frauen in der Szene auch.
Viele Custombetriebe sind Familienunternehmen
Was meinst du damit?
Viele Frauen der Szene sind nicht so präsent, auch wenn sie da sind. Sie stehen im Hintergrund und arbeiten beispielsweise in der Verwaltung. Viele Custombetriebe sind zudem Familienunternehmen. Darin arbeiten Mann, Frau, Tochter und Sohn wie zum Beispiel bei Müller Motorcycles. Viele Betriebe könnten überhaupt nicht existieren ohne das weibliche Wirken im Hintergrund. Große Betriebe wie die Harley Factory, die Bike Farm oder Thunderbike mit vielen Angestellten sind die Ausnahme in unserer Branche.
Und auch bei Thunderbike arbeitet die Tochter im Unternehmen mit, siehe oben.
Genau. Ein Großteil der Customszene besteht aus Privatschraubern, die meisten der umgebauten Motorrädern kommen aus privaten Garagen. Diese Motorräder könnten die Männer nicht umbauen, wenn ihre Frauen sie nicht unterstützen würden, ihnen den Freiraum lassen würden.
Dennoch gibt es einen großen Unterschied zu dir. Auch wenn du dich nicht so begreifst, bist du als Chefredakteurin die Frontfrau von CUSTOMBIKE. Wie viel Zeit kostet dich der Job?
Auf dem Papier habe ich einen normalen 40-Stunden-Job, aber ich arbeite schon mehr und bin auch viel privat in der Szene unterwegs. Mittlerweile habe ich viele Freunde in der Customszene und verbringe viel meiner Freizeit in Garagen.
Ganz zum Schluss noch die obligatorische Mopedfrage. Was für ein Motorrad fährst du privat?
Eine Honda CB 400 Four Baujahr 1977 – witzigerweise bis auf Kleinigkeiten weitestgehend original und nicht customized.
Katharina, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Karin Schickinger
Aufmacherbild: Katharina Weber bei der Produktion der aktuellen Titelstory; Foto von Christian Heim



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Kommentare
Ich bin mir ziemlich sicher,
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Moderator des 30jährigen Jubiläums bei Thunderbike nicht Det Müller sondern Clemens Verley war ;) (Vgl. Bild!)
Vielen Dank für den Hinweis
Vielen Dank für den Hinweis an den aufmerksamen Leser :-) Wir haben die Bildbeschriftung korrigiert.