
Als Mutter Motocross fahren? Erste Erfahrung beim Muttercross
Seit sich mein Sohn ankündigt hat, hat sich meine Welt sehr verändert. Motorradfahren, so dachte ich, hat erstmal keinen Platz mehr in meinem Leben. Schon alleine durch das Unfallrisiko. So verkaufte ich meine Maschine und alle Ersatzteile. Der Abschied von meinem ersten Motorrad, er war emotionaler als gedacht. Für mich fühlte sich das Ganze sehr deutlich wie ein Abschied von meiner Jugend an. Wie viele Stunden hatte ich schon im Sattel oder in der Werkstatt oder beim Fluchen verbracht? Die Vorfreude auf mein Familienleben überwiegte allerdings alles.
Nachdem mein Baby aus dem Gröbsten raus war (damit ist gemeint: abgestillt und babysittersicher), schwärmte ein Freund vom Motorcross fahren und erläuterte mir ausgiebig weshalb MX viel sicherer sei, als andere Motorradsportarten. Kein Gegenverkehr, hohe Qualität der Ausrüstung und sichere Strecken sollen Risiken verringern. Ein Gedanke war gepflanzt – mal probieren, kann ja nicht schaden.
So kam es, dass ich mich an einem Sonntag auf der Motorcross-Strecke von der Off-Road School Germany in der Nähe vom Nürburgring wiedergefunden hatte. Hier zählt ein „Rundum-sorglos“ Paket: Ankommen, umziehen, aufsteigen, losfahren. Nachdem ich voll ausgestattet war (Helm, Brille, Sturmhaube, Brust/Rückenpanzer, Trikot, Hose mit Protektoren, Schuhe, und Handschuhe), saß ich auch schon auf der 125er mit der Nummer 26, Marke KTM Vollkrosser. Tatsächlich war ich aufgeregt. Ob ich noch weiß wie das geht? Nun war es schon zwei Jahre her, dass ich zuletzt einen Gasgriff in der Hand hielt. Die Sorge war unbegründet! Ist ja doch eher wie Fahrradfahren, verlernt man nicht.
Adrenalin floss durch meine Adern
Nichtdestotrotz war das Fahren auf dem unbefestigten Untergrund eine neue Erfahrung. Nach dem Einrollen (ein Gespür für das Motorrad erhalten, die Strecke kennenlernen), durfte man mutiger werden. In regelmäßigen Abständen unterbrach der Trainer, Jürgen Küppers, uns bei der Fahrt und gab uns wertvolle Tipps und Hinweise. Immer wieder prägte er uns ein, dass Sicherheit an oberster Stelle steht und wie wir das auch umsetzen. So wurden alle Teilnehmer von Runde zu Runde besser. Gefühle, die einem auf der Straße die blanke Panik hochsteigen lassen, wie kurzes Wegrutschen vom Reifen in Kurven oder beim Anfahren, mussten hier erstmal neu sortiert werden. Auch wenn ich etwas erschlagen war, von den neu gewonnen Eindrücken, fühlte ich mich erstaunlich wohl und freute mich über jedes geplante Manöver, das mir gelang. Adrenalin floss durch meine Adern und ich genoss das Fahren!
Die Sturzkasse
Da passierte es auch schon: In einer steilen Kurve hatte sich eine Schlammpfütze gebildet. Ich fuhr ungünstig rein und Wupp, lag ich da. Erstaunlich unspektakulär. Ich hievte das Motorrad wieder auf und weiter ging´s. Das Ergebnis – bis auf einem blauen Fleck am Oberschenkel, gesund und munter, aber um fünf Euro ärmer, denn es gibt eine Sturzkasse. Die letzten 15 Minuten der insgesamt drei Stunden Fahrzeit sind eine Dauerfahrt, also ohne Unterbrechung durchfahren. Schnell unterschätzt man, wie anstrengend eine solche Zeitspanne sein kann, wenn man volle Konzentration und Körperspannung halten muss. Gerade diese Herausforderung gefiel mir gut! Nachdem die Fahrt beendet war – Erleichterung. Mir brannten die Oberschenkel vom ständigen Aufstehen und Hinsetzen und mein Kopf war müde. Mein Gesicht war mit Staub bedeckt.
Die Angst fuhr mit
Auf der Heimfahrt musste ich daran denken: Wenn ich sonst mit dem Motorrad auf der Straße unterwegs war, habe ich keiner Seele getraut. Nicht der Oma mit ihrem PKW, nicht der jungen Frau mit dem Sportwagen. Oft habe ich einfach Angst vor Faktoren gehabt, auf die ich keinen Einfluss nehmen konnte – nasse, schlecht einzusehende Kurven, andere Motorradfahrer (die wohl Spaß daran hätten Organspender zu werden), Verkehrsteilnehmer, die mehr auf ihr Smartphone als auf die Straße schauen und im Ausland auch teilweise klaffende ungesicherte Straßen und Abhänge. Das alles habe ich beim Motorcross nicht gehabt. Ich hatte Vertrauen in meine Fahrweise und konnte meinen Stresslevel Pegel selbst regeln. Die einzige Komponente, die mir Unbehagen bereitete, war, falls mir jemand zu dicht auffuhr. Aber ein kurzes Vorbeilassen löste auch dieses Problem.
Zuhause angekommen krabbelt freudestrahlend mein Söhnchen auf mich zu. Ich frage mich, ob er sich in Sieben oder Acht Jahren auf einem Motorrad wiederfindet? Aber bis es soweit, ist wird er mir bestimmt das ein oder andere Mal vom Streckenrand zuwinken.
Text und Bilder: Julia Strauß


