
INTERMOT 2016: Neues und Altes
Die INTERMOT findet bekanntlich alle zwei Jahre in Köln statt und hat eine mehrfache Bedeutung. Für Besucherinnen und Besucher ist sie eine umfassende Marktschau aller Motorräder plus Klamotten plus Zubehör. Für die im Motorradbereich arbeitenden Profis ist sie eine Art Branchentreff, bei dem sich über Trends und Tratsch ausgetauscht wird. Und für langjährige Beobachterinnen ist die INTERMOT eine bisweilen frustrierende Erfahrung, wie wenig sich in bestimmten Bereichen über die Jahrzehnte bewegt.
Von Karin Schickinger
Messen heutzutage sind natürlich weit mehr als poplige Präsentation neuer oder überarbeitender Motorradmodelle und dem dazu passenden Zubehör. Zu den neuen Messen gehören beispielsweise Show-in-Shows. So nennt die koelnmesse eine Halle zum Thema Customizing, die etwas abseits des sonstigen Betriebs den gerade so hofierten jungen Menschen spezielle Aussteller für deren Grundbedürfnisse Urbanität, Lifestyle und Individualität bietet. Zusätzlich gab es ein Rahmenprogramm mit Championship der spektakulärsten Umbauten, ein vom Glemseck kopiertes 1/8-Mile-Rennen und Sultans of Sprint. Tätowieren und Rasieren konnte man oder frau sich auch lassen.
Wer allerdings die klassische Premierentour des Pressetags unternahm, fand erst mal viele Updates und Upgrades schon bekannter Modelle, die aber gern als Neuheit präsentiert werden. Er oder sie fand auch neue Familienmitglieder einer Baureihe, die sich meist durch gleichen Motor und etwas modifiziertes Fahrwerk auszeichnen. Ein paar Variationen in den Anbauteilen et voilà: da haben wir unsere Premiere.
BMW und Ducati
Gut in dieser Methode ist beispielsweise BMW. Heritage-Verkaufsschlager RnineT bekommt mit der Race und der Pure zwei neue Geschwister. Angetrieben werden alle von dem bekannten luftgekühlten 1170 Kubik großen Boxer mit 110 PS. Die Race-Schwester (13 000 Euro) folgt dem Retrostyle konsequent mit einer Halbschalenverkleidung wie aus den besten 70er Jahren und Stummellenkern. In der Urfassung ist sie als Einsitzer angelegt, lässt sich aber mittels anschraubbarem Heckrahmen für den Soziusbetrieb umbauen. Bei der Pure funktioniert das Prinzip umgekehrt. Sie ist ein zweisitziger Roadster, der sich schnell zum Solofahrzeug umrüsten lässt. Ansonsten will die Pure (12 300 Euro) den Ansprüchen von echten Puristen genügen, alles ist aufs Minimum reduziert wie das Cockpit: Tacho plus Mini-Display mit Uhrzeit und Kilometerstand. Wer auf einen Drehzahlmesser nicht verzichten kann, muss extra zahlen. Ein Update erhielten Supertourer K 1600 und S 1000.
Auch wenn die neue Ducati SuperSport heißt, soll es sich dabei laut Werk um einen Sporttourer handeln. Dafür spricht, dass der Testastretta-Motor 'nur' 113 Pferdchen aus seinen 937 Kubik lässt, was in der Ducati-Sprache soviel wie alltagstauglich bedeutet. Wiegen soll die Supersport fahrfertig etwa 210 Kilogramm und drei wählbare Fahrmodi (Sport, Touring und Urban) besitzen. Sie ist mit dem Ducati Safety Pack ausgestattet, wozu das vorgeschriebene ABS sowie eine Traktionskontrolle gehören. Die Plexiglas-Scheibe ist höhenverstellbar, unterm Sitz befindet sich eine USB-Schnittstelle.
Harley-Davidson und Honda
Harley-Davidson zeigte seinen komplett neu konstruierten Vau-Motor, der auf den Namen Wilwaukee-Eight hört. Von außen bleibt der Milwaukee-Eight dem altbekanntem Zylinderwinkel von 45 Grad treu, doch innen steuern nun vier Ventile den Gaswechsel – statt der vorherigen zwei. Der Motor wird in zwei Größen mit 1745 und 1868 Kubik in die Harleys eingepflanzt. Durch die Euro-4 muss Harley in Zukunft von Luftkühlung auf Öl- beziehungsweise Flüssigkeitskühlung umrüsten. Die verärgerte traditionsbewusste Harley-Owner-Schaft dafür soll mit geringerem Spritverbrauch und längeren Reichweiten befriedet werden.
Honda feierte 25 Jahre Fireblade. Bei ihrer Taufe überraschte sie weniger mit Leistung, sondern mit Leichtigkeit und Fahrbarkeit. Dieser Maxime bleibt die neue Fireblade treu. Nicht nach noch mehr Leistung suchten die Entwicklungsingenieure, sondern nach Handling und weniger Gewicht. Dementsprechend hat die Fireblade um 14 Prozent abgespeckt und wird aber auch elf PS mehr Leistung bieten. Auf der INTERMOT waren zunächst nur die Sportversionen SP-1 und SP-2 zu sehen, die Basis-Blade soll erst auf der EICMA ab dem 8. November in Mailand präsentiert werden.
Das Retrobike CB 1100 EX bekam eine Modellpflege mit Drahtspeichen aus Edelstahl, Federelemente von Showa, eine Anti-Hopping-Kupplung und LED-Leuchten.
Kawasaki und KTM
Kawasaki möchte mit der Ninja 650 an den Erfolg – gerade bei den Motorradfahrerinnen - der ER-6 ansetzen. Als Sitzhöhe sind moderate 790 Millimeter angeben, was mit einem Gewicht von 193 Kilogramm und der schmalen Bauweise auch nicht so großen Bikerinnen das Handling erleichtern wird. Der Paralleltwin von 649 Kubik soll um die 70 PS leisten. Die Ninja ist mit einem verstellbaren sportlichen Windschild ausgestattet. Außerdem – oder je nach Sichtweise – vor allem enthüllte Kawasaki auf INTERMOT 2016 mit der Doppel-R-Variante ZX-10 RR eine Rennsportbasis mit zirka 200 PS, den Sporttourer Z 1000 SX mit neuer Verkleidung und eine limitierte Karbon-Edition der Kawasaki H2 Carbon mit 310 PS.
KTM kommt bekanntlich aus dem Geländesport und möchte diese DNA auch im kommenden Jahr vielfach unter die Fahrerinnen bringen, deshalb stellte die 1290 Super Adventure gleich in drei Modellvarianten S, R und T auf der INTERMOT zum Probesitzen an den Stand. Die T ist die Euro-4 taugliche 'alte' Super Adventure, bei R und S gibt’s je nach Bedürfnissen (und Geldbeutel) diverse Extras dazu. Auch wenn beide Modelle geländetauglich – siehe DNA – sind, soll die S besser für die Straße geeignet sein. Beide besitzen neben dem Motor der 1290 Superduke neue LED-Scheinwerfer mit elektronisch gesteuertem LED-Kurvenlicht und Kurven-ABS. Ebenfalls zu besichtigen waren die Modelle 1090 Adventure und KTM 1090 Adventure R mit ähnlichem Konzept wie bei den Super Adventures.
Suzuki, Triumph und Yamaha
Bei Suzuki heißen die Supersportler GSX-R und in Köln zeigten die Japaner ihre Bandbreite mit den neuen Modellen GSX-R 1000 und GSX-R 125. In der 1000er sorgt ein Motor mit innovativem variablem Ventiltrieb für einen späteren Einlassschluss bei hohen Drehzahlen, was eine bessere Füllung bewirkt. 202 PS und 203 Kilogramm bedeuten ein Leistungsgewicht von 1 zu 1. Ins Segment der Sportjugend will Suzuki die GSX-R 125 platzieren. Sie ist superlight, hat coole LED-Augen und krasses Keyless-Go. Außerdem löst die GSX-S 750 mit unter anderem ein paar zusätzlichen PS das erfolgreiche Naked Bike GSR ab. V-Strom 650 und 1000 bekommen ebenfalls einige Upgrades verpasst. Die Kleine darf nun im Kleid der Großen, mit 71 PS und Traktionskontrolle auf die Straße, die 1000er ist in Zukunft mit dem schräglagentauglichen ABS von Bosch ausgestattet.
Triumph folgt ebenfalls dem Prinzip des Familienzuwachses. Die Bonneville-Reihe darf sich über zwei neue Modelle mit flüssigkeitsgekühltem 900er-Zweizylinder freuen: ganz klassisch die T 100 beziehungsweise T 100 Black und für Sportliche die Street Cup. Die Ts sollen in der Optik auf die legendären Modelle der ausgehenden 50er Jahre zurückgehen. Mit einer Höhe von 790 Millimetern und 213 Kilogramm Gewicht können viele Bikerinnen die T 100 Bonnevilles gut handhaben. Kosten werden die Modelle zwischen 10 000 und 11 000 Euro.
Die Street Cup ist laut Triumph ein „Street Racer in Custom Optik.“ Dazu gehören zum Beispiel tiefe Lenker mit Spiegeln an den Enden, kleines Windschild und Zierstreifen auf den Gussfelgen. Kostenpunkt an die 11 000 Euro.
Voll im Retrotrend liegt die neue Yamaha SCR 950, auch wenn sich die Fachleute in der genauen Klassifizierung etwas herumeierten. Eine Mixture aus Scrambler, Bobber-Chopper mit leichten Anleihen beim Offroadigen. Im originellen Outfit werkelt der bekannte 60-Grad-Twin mit 52 PS. Die Höhe beträgt 830 Millimeter. Desweiteren präsentierte Yamaha aus der Dark-Side-Family eine optisch hochgestylte MT-09 und eine supersportliche MT-10 SP.
Was bleibt
Wer am Pressetag von Pressekonferenz zu Pressekonferenz tingelte, stellte relativ schnell fest, dass bestimmte Dinge immer gleich bleiben. Die Moderation der jeweiligen Veranstaltungen obliegt den Männern, es reden Firmenchefs, Pressesprecher oder Leiter der Designabteilung, Die Frauen werden nach wie vor weitgehend reduziert auf die Funktion als hübsches Beiwerk neben den vorgestellten Neuheiten. Gut, die Röcke sind meist länger und die Dekolleté nicht mehr so tief, aber nicht einmal BMW verzichtet auf die gern 'Mädels' genannten Frauen, die auf den Bikes posieren.
Bei den Bajuwaren durfte immerhin eine Fahrerin die neue RnineT Race auf die Bühne fahren und sogar ein paar Worte zu den Fahreigenschaften sagen. Auch die ein oder andere Rennfahrerin wurde zu einem Meet & Greet mit Fans oder zum Sprintrennen eingeladen. Ansonsten liegt die Motorradwelt in Männerhand.
Beim abschließenden Lesen des Schlussberichts der koelnmesse zur INTERMOT zeigt sich es sich überdeutlich: Unter den Statements am Ende des Berichts findet sich das Zitat einer einzigen Frau, Natalie Kavafyan, General Manager bei Triumph Deutschland und Österreich (siehe Interview), dagegen dürfen zehn Männer ihre Meinung äußern. Das entspricht einer Quote von neun Prozent. Deprimierend.
Fotos: koelnmesse, Schickinger



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